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Jahresbericht 2001/2002  der VS Passau St. Nikola

Seite 78

Schüler bei Gericht

Am Donnerstag, den 10. Januar 2002 besuchten wir, die Klasse M7 der VS St. Nikola Gerichtsverhandlungen am Amtsgericht Passau. So erlebten wir nach dem eher theoretischen Wissen in der Schule auch praktisch mit, wie eine Gerichtsverhandlung abläuft.

Im 1. Fall wurden einem zwanzigjährigen Arbeitslosen vor dem Jugendschöffengericht Sachbeschädigung in neun Fällen zur Last gelegt. Außer dem Richter, den beiden Schöffen, dem Staatsanwalt, der Protokollführerin, dem Angeklagten und uns war nur mehr ein Rechtsanwärter anwesend.
Als der Richter mit seinen Schöffen den Gerichtssaal betrat, erhoben sich alle bis auf den Angeklagten. Dieser wurde daraufhin vom Richter belehrt, dass er aufstehen und seine Mütze abnehmen müsse, was dieser dann auch tat. Nun nahmen wieder alle Platz.
Nachdem der vorsitzende Richter den Angeklagten zur Person befragt hatte, wurde er auf sein Aussageverweigerungsrecht hingewiesen. Obwohl dieser zuerst davon Gebrauch machen wollte, äußerte er sich trotzdem später auf Fragen des Richters.
Anschließend verlas der Staatsanwalt die Anklageschrift. Dem Arbeitslosen wurde dabei vorgeworfen, im Stadtgebiet Passau mit Eddingstiften und Spraydosen mehrere Hauswände mit seinem Zeichen „Sax" und anderen Texten beschmiert zu haben.
Bei der anschließenden Befragung durch den Richter kamen auch Beweismittel wie Stifte, Notizzettel mit den gesprühten Texten und ein Geldbeutel zur Sprache. Außerdem verlas der Richter die Vorstrafen des Angeklagten, der wegen desselben Deliktes schon einmal zu einer Geldstrafe und gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden war. Die Strafe und die Beseitigung der Schäden waren von seinen Eltern bezahlt worden. Der Angeklagte gab alle Anschuldigungen zu, deshalb hatte er auch auf einen Verteidiger verzichtet. Es wurden keine Zeugen oder Sachverständige gehört.
Der Staatsanwalt hielt dem Angeklagten zugute, dass er geständig war und die früher angerichteten Schäden beglichen hatte. Wegen seiner mangelnden Reife beantragte er, ihn noch als Heranwachsenden nach dem Jugend- und nicht nach dem Erwachsenenstrafrecht zu beurteilen. Er forderte 10 Monate Jugendstrafe, ausgesetzt auf 3 Jahre Bewährung und 150 Stunden gemeinnützige Arbeit und die Übernahme der Kosten des Verfahrens. Der Angeklagte äußerte sich dazu nur kurz mit: „Es passt scho."

Nun zog sich der Richter mit den beiden Schöffen zur Beratung zurück. Nach ca. 10 Minuten verlas der Richter das Urteil: Er stimmte den Forderungen des Staatsanwaltes zu, bestimmte aber noch, dass dem Verurteilten für zwei Jahre ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt, die 150 Stunden gemeinnützige Arbeit bis April bei der Caritas abzuleisten und der angerichtete Schaden beglichen werden müsse, wobei der Verurteilte die Schmierereien nach Möglichkeit selbst entfernen solle. Die Kosten des Verfahrens übernahm die Staatskasse, weil der Arbeitslose nur über 500.- DM Einkommen im Monat verfüge. Der Richter machte dem Heranwachsenden nochmals in deutlichen Worten klar, dass bei einem weiteren Vergehen dieser Art die Bewährung verfallen und er ins Gefängnis kommen würde.
Damit war der erste Fall abgeschlossen. Nun hatten wir noch die Möglichkeit, Herrn Richter Huber, den beiden Schöffen und der Protokollführerin Fragen zum Verlauf der Verhandlung, zum Strafmaß und zu Berufsmöglichkeiten zu stellen.
Später am Vormittag verfolgten wir noch zwei weitere Gerichtsverhandlungen, bei denen es um Drogenhandel und Körperverletzung ging.

Es war für uns alle ein sehr spannender, kurzweiliger Vormittag und einige von uns wollten an den nächsten Nachmittagen noch weitere Verhandlungen besuchen. Klar war uns auch, dass keiner von uns jemals in die Lage eines Angeklagten vor Gericht kommen möchte.

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